Der Weg in die Politik
1847 bis 1850
Zum ersten Mal Abgeordneter
Nach Jahren des Grübelns über den Sinn des Lebens fand Bismarck 1846/47 einen neuen Daseinszweck: die Politik. Den Weg ebnete ihm ein Kreis hochkonservativer Berater von Preußens König Friedrich Wilhelm IV.: Adolf von Thadden, Ernst Senfft-Pilsach sowie Leopold von Gerlach und Ernst Ludwig von Gerlach. Außerdem half ihm der Zufall – 1846 wählte die Ritterschaft der Provinz Sachsen ihn, den Gutsherrn aus Schönhausen, in den Provinziallandtag.
Als der König alle Provinzversammlungen seiner Monarchie 1847 als Ersten Vereinigten Landtag einberief, blieb Bismarck zunächst außen vor. Erst nachdem ein Abgeordneter sein Mandat aus Krankheitsgründen niedergelegt hatte, rückte er nach.
Bismarck vertrat grundsätzlich die Auffassung, dass der Politiker „den Strom der Zeit nicht […] lenken“ könne. Sein politisches Ziel aber war es dennoch, die preußische Monarchie zu stärken. Daher widersprach er dem Wunsch der Liberalen, das Ständegremium in ein Parlament umzuwandeln. Auch ihre Forderung nach einer Verfassung lehnte er ab.
Die gescheiterte Revolution
1848 veränderte sich die politische Situation in Preußen dramatisch. Seit Februar rollte von Paris aus eine große Revolutionswelle über die europäischen Hauptstädte hinweg; auch in Berlin kam es zu blutigen Unruhen. Um seinen Thron zu retten, stellte sich Friedrich Wilhelm IV. an die Spitze der Revolution. Nachdem aber ein Aufstand in Wien niedergeschlagen worden war, vollzog er eine Kehrtwende. Zwar erließ der König Anfang Dezember eine Verfassung und beendete damit in Preußen die Zeit des Absolutismus. Im April 1849 aber lehnte er die Kaiserkrone ab, die ihm von der Frankfurter Nationalversammlung angetragen wurde. Neue Aufstände ließ er gewaltsam niederschlagen.
Bismarck hatte sich nach dem Ausbruch der Revolution zunächst für harte Gegenmaßnahmen ausgesprochen. Dann aber verhielt er sich auffallend reserviert, weil die Krone seines Erachtens „selbst die Erde auf ihren Sarg geworfen“ hatte. Anders als erhofft, wurde er nicht in die preußische Nationalversammlung berufen und versuchte daher, sich dem König mit Artikeln in der konservativen Neuen Preußischen Zeitung (Kreuzzeitung) anzudienen. Doch von der Einberufung Bismarcks in seine Regierung wollte Friedrich Wilhelm IV. nichts wissen. „Nur zu gebrauchen, wenn das Bayonett schrankenlos waltet“, notierte er auf einer ihm vorgelegten Namensliste.
Kleindeutschland oder Großösterreich?
Nur mit Mühe errang Bismarck im Februar 1849 einen Sitz im Preußischen Abgeordnetenhaus. Dass Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone ablehnte, fand er richtig. Weit weniger gefiel ihm der Umbau des Deutschen Bundes, den Außenminister Joseph Maria von Radowitz plante. Radowitz schwebten zwei locker verbundene Einheiten aus dem österreichischen Kaiserreich und einer kleindeutschen Union vor. Im März 1850 trafen sich Abgesandte der Unionsstaaten in Erfurt, um einen Verfassungsentwurf der Regierungen zu verabschieden. Als Schriftführer dieses „Volkshauses“ warnte Bismarck unablässig davor, dass die Union Preußen „mediatisieren“, also unterwerfen könne. Das ergebnislose Ende der Beratungen registrierte er mit Genugtuung. Mit großer Sorge beobachtete er hingegen, wie die nun notwendige Debatte über eine Neugestaltung des Bundes Preußen und Österreich an den Rand eines Krieges führte.
Um den Waffengang zu vermeiden, entließ Friedrich Wilhelm IV. im Herbst 1850 seine Regierung und schickte seinen zukünftigen Ministerpräsidenten Otto von Manteuffel zum österreichischen Regierungschef Felix Fürst zu Schwarzenberg nach Olmütz. Als Zar Nikolaus I. signalisierte, notfalls auf der Seite Österreichs zu stehen, verständigte sich Manteuffel mit Schwarzenberg darauf, die Reform des Deutschen Bundes in die Obhut aller Mitgliedsstaaten zu legen. Damit billigte er auch Konsultationen über das „Großösterreich“-Projekt, das Schwarzenberg verfolgte – den Beitritt sämtlicher habsburgisch beherrschten Gebiete zu einem deutschen Staatenbund.
Bismarcks „Olmütz“-Rede
Während Preußens Liberale und ein Teil der Konservativen die „Olmützer Punktation“ vom 29. November als Schmach attackierten, stimmte Bismarck ihr demonstrativ zu. Entscheidend war für ihn, dass ein „Krieg in großem Maßstabe“ verhindert wurde.
Bismarck blieb damit dem Grundgedanken eines Gleichgewichtssystems treu, das die Großmächte (Großbritannien, Russland, Frankreich, Österreich und Preußen) nach dem Wiener Kongress von 1815 geschaffen hatten. Es beruhte auf der Anerkennung des internationalen Rechts und dem Willen zum friedfertigen Austrag von Konflikten. Maßgebliche Bedeutung besaß die „Heilige Allianz“ zwischen Russland, Österreich und Preußen. Ihr Kerngedanke war die Sicherung eines „Ewigen Friedens“ auf der Basis der christlichen Nächstenliebe. Seit der Revolution von 1848/49 begannen aber die Staatsmänner einer Realpolitik das Wort zu reden, in der der Krieg als „bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ (Carl von Clausewitz) galt. In seiner berühmten Olmütz-Rede vom 3. Dezember 1850 kommentierte Bismarck diese Veränderungen im Mächtekonzert. „Die einzig gesunde Grundlage eines großen Staates“, so rief er den preußischen Abgeordneten zu, „ist der staatliche Egoismus und nicht die Romantik“. Kriege führten große Staaten nur zur Vergrößerung ihrer Macht.
Dresdener Fürstenkonferenz
Nachdem Großbritannien den Schwarzenberg-Plan abgelehnt und auch Russland ihm den Rückhalt entzogen hatte, lenkte Österreich ein. Auf einer Fürstenkonferenz, die von Dezember 1850 bis Mai 1851 in Dresden tagte, begruben die deutschen Staaten das Großösterreich-Projekt. Zugleich verwarfen sie das deutschlandpolitische Programm der Paulskirche. In Preußen sollten sich die politischen Verhältnisse daraufhin neu justieren. Während die Hochkonservativen an der „Heiligen Allianz“ mit Österreich und Russland festhielten, orientierte sich die neue liberal-konservative „Wochenblattpartei“ an Großbritannien und Frankreich. Manteuffel wiederum plädierte gegen eine Festlegung in die eine oder andere Richtung. In diesem machtpolitischen Dreieck sollte Bismarck bald eine sehr eigenständige Rolle spielen.