Land und Stadt

    Wohnorte

    Auf dem Land: Schönhausen – Kniephof – Varzin – Friedrichsruh

    Geboren wurde Otto von Bismarck im älteren der beiden Herrenhäuser im altmärkischen Schönhausen. Bald nach seiner Geburt zog die Familie auf ihr Gut Kniephof in Pommern um. Dort verbrachte Otto von Bismarck wichtige Jahre seiner Kindheit; selbst kümmerte er sich um die Bewirtschaftung dieses Besitzes zwischen 1839 und 1845. Schönhausen fiel nach dem Tod seines Vaters 1845 an ihn. Von dort schrieb er 1847 seiner Braut Johanna von Puttkamer von besagtem Herrenhaus, „in welchem meine Väter seit Jahrhunderten in denselben Zimmern gewohnt haben, geboren und gestorben sind […]“. An die Bismarcks übertragen worden war dieser Landbesitz im Jahr 1562 nach der erzwungenen Abtretung des vorherigen Gutes Burgstalls nahe der Letzlinger Heide. Mit seiner neugegründeten Familie lebte Otto von Bismarck zunächst in seinem Geburtshaus.

    Innen wie außen symbolisierten Herrenhäuser die Macht- und Schaltzentrale des Gutsbesitzes. Das von der Familie nun in Schönhausen bewohnte Gebäude lag leicht erhöht und war dreigeschossig mit einfachem Walmdach und einem südöstlich an den Haupttrakt anschließenden Seitenflügel, Torhaus oder „Zofenflügel“ genannt. Die auf Außenwirkung abzielenden Räumlichkeiten befanden sich im Erd- und im ersten Obergeschoss. Das Schlafzimmer, in dem Otto von Bismarck geboren wurde, lag auf dieser Etage, weitere Schlafzimmer ein Stockwerk höher. Aufgebaut um 1700 auf den Fundamenten eines Vorgängerbaus, war dieses Haus durch einen Park mit einem zweiten Herrenhaus verbunden. Dieses war zwischen 1730 und 1734 nach Erbteilungen errichtet worden. Seit 1891 beherbergte es das von Herbert von Bismarck eingerichtete „Bismarck-Museum“.

     Park u Schloss Schoehnhausen Otto von Bismarck StiftungPark und Schloss Schönhausen, Aquarell von Adolf Müller, 1863 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

    Weil Land Reichtum und Status bedeutete, war Otto von Bismarck daran gelegen, seinen Grundbesitz weiter auszudehnen. 1867 erwarb er Varzin mit Mitteln aus der königlichen Dotation, die er nach dem Krieg von 1866 gegen Österreich erhalten hatte. Gelegen war dieses Gut inmitten einer Landschaft bewaldeter Hügel und Täler Hinterpommerns. Wesentlich für die Wahl dieses Wohnorts war die Nähe zur Heimat seiner Ehefrau. Dort konnte sie von einem eigenen Standort ihre Kontakte zu ihren zahlreichen, in der Gegend lebenden Verwandten pflegen. Das besondere Interesse Bismarcks galt hier seinen Baumschulen. Mit seiner Tochter und Gästen unternahm er lange Ausritte.

    Das Varziner Herrenhaus stammte aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Von den Vorbesitzern in typischen Etappen erweitert, erhielt es Mitte des 18. Jahrhunderts Seitenflügel, 1874 wurde der „Fürstenbau“ mit Flachdach angefügt. Die Familie verbrachte dort viel Zeit, lud Verwandte und Bekannte ein, und der Staatsmann erledigte von dort aus seine Dienstgeschäfte.

     Varzin Sammlung DunckerVarzin, Kreis Schlawe, Regierungsbezirk Cöslin, Provinz Pommern, erschienen in: Alexander Duncker, Die Ländlichen Wohnsitze, Schlösser Und Residenzen Der Ritterschaftlichen Grundbesitzer in Der Preussischen Monarchie, Band 3, 1860 –1861 (gemeinfrei)

    Als Arbeitsort auf dem Land diente nach 1871 ein weiterer Besitz, der sich dazu noch besser eignete: Friedrichsruh vor den Toren Hamburgs. Seit dem Krieg von 1864, den Dänemark verloren hatte, stand das Herzogtum Lauenburg nicht mehr unter dänischer Herrschaft. Wilhelm I. bot dies die Möglichkeit, den in diesem Herzogtum gelegenen Sachsenwald dem Reichskanzler aufgrund seiner Verdienste um die Gründung des deutschen Nationalstaats gemäß königlicher Dotationsurkunde 1871 als „Fideikommissherrschaft Schwarzenbek“ zu übertragen. Gleichzeitig verlieh er ihm den Fürstentitel.

    Otto von Bismarck wollte jedoch nicht in einem Gutshaus am Rand des Sachsenwaldes wohnen, sondern mitten im Wald. „Keine Besitzung“ würde „so sehr“ seinen „Neigungen und Idealen“ entsprechen und „zugleich eine so würdige Unterlage des neuen Standes“ darstellen wie Friedrichsruh, schrieb er dem Kaiser. Dort kaufte er verschiedene Gebäude und wählte als endgültigen Wohnsitz einen früheren Gasthof namens „Frascati“. 1877/78 ließ er ihn durch kleinere Umbauten, Reparaturen und Flügelanbauten herrichten. Es entstand ein großes stil- und schmuckloses, eher praktisch eingerichtetes Herrenhaus. In den oberen Stockwerken wurden an den früheren Hotelzimmertüren nicht einmal die Zimmertüren entfernt. Otto von Bismarcks Schlafzimmer lag, genau wie das Arbeitszimmer und die Bibliothek, im Erdgeschoss.

    Der Ort war schon lange ein beliebtes Ausflugsziel der Hamburgerinnen und Hamburger gewesen und seit der Inbetriebnahme der Eisenbahnstrecke Hamburg – Berlin 1847 mit Haltestelle in Friedrichsruh noch leichter zu erreichen. Nach dem Zuzug des Reichskanzlers „genierten“ sich die Touristinnen und Touristen aus der Stadt „durchaus nicht“, wie früher um das Hotel nun um sein Wohnhaus zu spazieren, wie er beobachtete: „Einige kamen und drückten ihr Gesicht an die Fenster meines Schlafzimmers, um zu sehen, was ich tue, da ich natürlicherweise der Hauptgegenstand für ihre Neugier war …“. Deshalb ließ der neue Hausherr schließlich an der zur Bahn gelegenen Straßenseite eine Mauer errichten.

     Friedrichsruh Mappe FeldmannSchloss Friedrichsruh, erschienen in: Heimat. Im Sachsenwald. 10 Zeichnungen von Wilhelm Feldmann, Hamburg 1902 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

    Die Bahnanbindung war es, durch die Friedrichsruh alle anderen seiner Wohnsitze ausstach. Otto von Bismarck konnte auf dem Land bleiben und trotzdem die Geschäfte führen. Nur vier Stunden Fahrt trennten ihn vom Reichskanzleramt. Sechzig Züge verkehrten täglich zwischen Berlin und Hamburg, darunter mehrere Schnellzüge: „Ich bin also in fortwährendem Verkehr mit meinen Kanzleien; jeden Abend setzen mich dieselben bezüglich der Tagesgeschäfte aufs Laufende; und jeden Morgen schicke ich die Papiere zurück, die ich tags zuvor empfangen, die einen unterzeichnet, die anderen mit meinen Instruktionen.“ Als Reichskanzler hatte er überdies das Privileg, durch telegrafische Anweisung jeden Zug, auch die Schnellzüge, halten zu lassen. Die Regelung bestand nach dem Ausscheiden aus seinen Ämtern fort.

     Friedrichsruh Bahnhof 1900Der Bahnhof in Friedrichsruh ist heute Hauptsitz der Otto-von-Bismarck-Stiftung, Fotografie, um 1900 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

    In der Stadt: Frankfurt am Main – St. Petersburg – Berlin

    In Frankfurt bewohnten die Bismarcks 1851 zunächst ein Landhaus in der Nähe des heutigen Palmengartens unweit der Gesandtschaftskanzlei, von der es noch räumlich getrennt war. Im Vergleich zum Palais des österreichischen Gesandten handelte es sich um ein eher bescheidenes Gebäude. Das hing auch mit dem nicht sehr hohen Gehalt von jährlich 21.000 Reichstalern zusammen, das dem preußischen Bundestagsgesandten zustand. Der besondere Vorzug war ein sehr großer Garten mit Blick auf das nahe Taunusgebirge sowie die Lage unweit des Stadttors. Ihm und seiner Ehefrau vermittelte dies die Illusion, auf dem Land zu leben.

    Als das Haus nach einem Jahr verkauft wurde, zogen die Bismarcks im Oktober 1852 aus der Bockenheimer Landstraße 104 (damals Bockenheimer Chaussee 40) in die Große Gallusstraße 19 in der Innenstadt. Wiederum zwei Jahre später hielt dort auch die Gesandtschaftskanzlei Einzug. Im Sommer 1858, wenige Monate vor Ottos Abberufung, wechselte die Familie samt Kanzlei schließlich nochmals die Wohnung und siedelte in die Hochstraße 30 über, gleichfalls im Zentrum gelegen. Im Innern des Hauses spiegelte die Aufgliederung der Wohnräume genau wie auf dem Land die offiziellen Funktionen des Ehepaars: Arbeitszimmer, Ottos Empfangszimmer und die Kanzlei im Parterre, Johannas Wohnzimmer und Empfangszimmer darüber im ersten Stock, Schlafzimmer und Zimmer der Kinder und Dienstboten im zweiten Stock. Für die auf Frankfurt folgende diplomatische Station St. Petersburg war die Raumaufteilung vergleichbar. Dort bewohnten die Bismarcks das Stenbocksche Palais am Englischen Quai.

     Bismarck Frankfurt Bockenheimer Chaussee 40Wohnung der Familie Bismarck in der Bockenheimer Chaussee 40, Frankfurt am Main (heute: Bockenheimer Landstraße 104); erschienen in: Dr. Alfred Funke, Das Bismarck-Buch des deutschen Volkes, erster Band, Leipzig 1921 (gemeinfrei)

    In Berlin lebte die Familie nach der Ernennung Otto von Bismarcks zum preußischen Ministerpräsidenten 16 Jahre lang in der Wilhelmstraße 76 im Amtsgebäude des Auswärtigen Amts. Auch hier galt ein Garten mit großen, alten Bäumen als besondere Annehmlichkeit. 1878 siedelte sie in das Palais Radziwill in der Wilhelmstraße 77 über; es war 1875 vom Staat erworben und zum Reichskanzlerpalais umgebaut worden. Die Aufteilung von öffentlichen und Rückzugsräumen für den Herrn und die Dame des Hauses war analog zu den vorherigen Wohnsitzen der Familie gestaltet.

     Wilhelmstrasse 76 1880 Architekturmuseum TU BerlinOtto von Bismarck lebte mit seiner Familie 16 Jahre lang im Amtsgebäude des Auswärtigen Amtes in der Wilhelmstraße 76. Foto: eines der Eingangsportale links des Haupthauses (© Architekturmuseum TU Berlin, gemeinfrei)