Diplomat

    1851 – 1862

    Diplomatische Lehrjahre: Gesandter beim Deutschen Bund

    In den Jahren zwischen 1851 und 1862 erhielt Otto von Bismarck die Gelegenheit, sich auf außenpolitischem Gebiet zu bewähren. Friedrich Wilhelm IV. ernannte den erst 36-Jährigen auf Anraten seines Generaladjutanten Leopold von Gerlach im Mai 1851 zum Legationsrat der preußischen Gesandtschaft beim Deutschen Bund.

    Dem Hof erschien der altmärkische Landadelige nunmehr geeignet, die preußischen Interessen in der Bundesversammlung zu vertreten. Es handelte sich dabei um einen ständigen Kongress der Gesandten aus den Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes, der in Frankfurt am Main tagte. Um sich mit den diplomatischen Gepflogenheiten vertraut zu machen, war Bismarck – vom König zusätzlich zum Geheimrat befördert – zunächst nur als zweiter Mann der Gesandtschaft tätig. Im Juli 1851 erfolgte schließlich seine Ernennung zum preußischen Gesandten.

    Friedrich WilhelmKönig Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, Gemälde von Joseph Karl Stieler (zugeschrieben), um 1845 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

    Bismarck blieb weiterhin Abgeordneter der Zweiten Kammer des Landtags. Er räumte seinen im Oktober 1851 gewonnenen Sitz jedoch im darauffolgenden Jahr nach einem Pistolenduell mit dem liberalen Abgeordneten Georg von Vincke, bei dem beide Kontrahenten unverletzt blieben. Ein endgültiger Abschied aus Berlin war dies aber nicht, denn der politische Hoffnungsträger der Konservativen wurde auf Vorschlag der Grundbesitzer Pommerns im November 1854 in die Erste Kammer (seit 1855: Herrenhaus) berufen.

    Bismarck arbeitete sich rasch in sein neues Aufgabengebiet ein und versorgte die Regierung in Berlin mit Informationen über die Zustände in Frankfurt; dabei freute er sich über seine zunehmende Fähigkeit, „mit vielen Worten gar nichts zu sagen“. Im Oktober 1851 folgte ihm seine Familie nach, und er genoss die weltoffene Atmosphäre in der Stadt ebenso wie das Familien- und Gesellschaftsleben.

    Im Mittelpunkt seiner diplomatischen Tätigkeit stand das Problem des österreichisch-preußischen Dualismus in Deutschland. Obwohl anfangs gegenüber der Habsburgermonarchie nicht grundsätzlich feindselig eingestellt, kämpfte er als Vertreter Preußens für dessen Stärkung gegenüber der deutschen Führungsmacht Österreich.

    Dessen Bemühungen, den Deutschen Bund für seine Zwecke zu instrumentalisieren, stellte sich Bismarck entgegen. So gelang es ihm zu verhindern, dass die Wiener Regierung den Deutschen Bund handels- und wirtschaftspolitisch zulasten des 1834 gegründeten Deutschen Zollvereins ausbaute. Ebenso blockierte er deren Versuch, während des Krimkrieges (1853 – 1856) Truppen des Deutschen Bundes gegen Russland zu mobilisieren – dies war sein erster bedeutender diplomatischer Erfolg! Es gelang ihm aber nicht, die Vormachtstellung Österreichs zu erschüttern. Den Vorgesetzten in Berlin empfahl er wiederholt, eine aktivere Außenpolitik zu betreiben, denn früher oder später werde Preußen – so seine Überzeugung – zum „Amboss“, wenn es nichts tue, „um Hammer zu werden“.

     

     Johanna v BismarckJohanna von Bismarck unterstützte in ihrer Rolle als Diplomatengattin ihren Mann auf dem gesellschaftlichen Parkett in Frankfurt. Gemälde von Jakob Becker, 1859 (Reproduktion, © Otto-von-Bismarck-Stiftung / Fotograf: Jürgen Hollweg)

    Mit Neugier verfolgte er den Aufstieg von Napoleon III. in Frankreich, das mit dem Sieg im Krimkrieg wieder zur führenden Macht des Kontinents aufgestiegen war. 1855 nutzte Bismarck eine Reise zur Pariser Weltausstellung, um den Kaiser der Franzosen persönlich kennenzulernen. 1857 folgte ein zweiter Aufenthalt Bismarcks in Paris, bei dem es zu weiteren Treffen kam. Seine hochkonservativen Förderer bei Hofe beäugten misstrauisch Bismarcks Interesse am Zweiten Französischen Kaiserreich, das ihnen als Hort der Revolution galt, mit dem keine Zusammenarbeit möglich sei. Preußens Mann in Frankfurt hingegen war davon überzeugt, dass auch Napoleon III. trotz weltanschaulicher Gegensätze als möglicher Bündnispartner in Betracht gezogen werden sollte. Die Regierung in Berlin müsse, so Bismarck, mit „Realitäten wirtschaften und nicht mit Fiktionen“. Sie sollte also „Realpolitik“ (Ludwig von Rochau) betreiben und sich weniger an antirevolutionären Prinzipien orientieren, die den preußischen Staatsinteressen unter Umständen zuwiderliefen.

     NapoleonIIINapoléon III. (1808 – 1873), Kaiser der Franzosen. Handkolorierter Stahlstich von Daniel John Pound, nach einem Gemälde von Franz Xaver Winterhalter, um 1860 (Privatbesitz)

    „Kaltgestellt“: Gesandter am Zarenhof

    Nachdem Friedrich Wilhelm IV. die Regierungsgeschäfte 1858 krankheitsbedingt seinem Bruder Wilhelm übergeben hatte, geriet Bismarck wegen derartiger Äußerungen politisch ins Abseits. Der Regent berief eine neue, liberal-konservative Regierung, die den als Anhänger einer autoritären Regierungsform verschrienen Diplomaten Ende Januar 1859 nach St. Petersburg versetzte. Formell war das eine Beförderung, die Bismarck jedoch als Kaltstellung empfand. Der neue Gesandte wurde am Hof von Kaiser Alexander II. betont freundlich aufgenommen. Er lernte Russisch, machte sich mit den politischen Verhältnissen des Zarenreiches vertraut und knüpfte enge Beziehungen zu russischen Regierungsvertretern.

    Anfang Mai 1859 entwarf Bismarck vor dem Hintergrund des 2. Italienischen Unabhängigkeitskriegs ein Programm zur Errichtung der preußischen Hegemonie in Deutschland. Dabei machte er sich sogar Forderungen der deutschen Nationalbewegung zu eigen. Unmittelbar darauf erkrankte Bismarck – kurz vor Antritt einer Reise nach Preußen, um seine Familie abzuholen – lebensbedrohlich. Dennoch reiste er ab und verließ für fast ein Jahr die russische Hauptstadt. Wieder genesen, wurde er auf dem Rückweg nach St. Petersburg im März 1860 in Berlin vom Prinzregenten empfangen.

     1859 Bismarck Foto Elise Wolff AusschnittOtto von Bismarck, Fotografie von Elise Wolff, 1859 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

    Infolge des sich seit 1859/60 verschärfenden innenpolitischen Konflikts um die vom Staatsoberhaupt gewünschte Reform der Streitkräfte wurde Bismarck in Berlin als Ministerkandidat im Fall einer Regierungsumbildung gehandelt. Doch Prinzregent Wilhelm hatte Vorbehalte gegen ihn; auch Wilhelms Gattin Augusta trat entschieden gegen den vermeintlichen Reaktionär aus der Altmark auf. Das Verhältnis zwischen Augusta und Bismarck beruhte seit der Revolution 1848/49 auf gegenseitiger Abneigung. Im Juni 1860 kehrte Bismarck endlich – seine Familie im Schlepptau – auf seinen Posten in St. Petersburg zurück. Er berichtete seinen Vorgesetzten aus der russischen Hauptstadt und behielt aus der Ferne die politischen Entwicklungen in Europa wie in Deutschland im Blick.

    Im Sommer 1861 wurde Bismarck während eines Deutschlandaufenthaltes zum neuen König – nach dem Tod Friedrich Wilhelms IV. im Januar 1861 hatte der Prinzregent als Wilhelm I. den preußischen Thron bestiegen – nach Baden-Baden befohlen. Dabei entwickelte Bismarck ein Programm für die preußische Deutschlandpolitik: Preußen sollte die nationale Einigungsbewegung als „Druckmittel“ benutzen, um „im Kampf gegen Österreich und die Mittelstaaten die Oberhand zu gewinnen“. Erneut kursierten Gerüchte, Bismarck würde ins preußische Staatsministerium berufen, doch ein solches Angebot erfolgte nicht. Nachdem er der Krönung Wilhelms I. am 18. Oktober 1861 in Königsberg beigewohnt hatte, begab er sich wieder nach St. Petersburg. Noch hatte seine Stunde nicht geschlagen, aber im März 1862 war seine Zeit in Russland abgelaufen, und er kehrte nach Berlin zurück.

    Derweil verschärfte sich der Konflikt zwischen Krone und Parlament um die Frage der Heeresreform. Aus der Umgebung des Monarchen wurde vorgeschlagen, Bismarck in die Regierung zu berufen, aber Wilhelm I. zögerte immer noch, den „flatterhaften“ Diplomaten mit einem Ministeramt zu betrauen.

     Augusta F 2004 0832Sie blieb eine politische Gegnerin Bismarcks: Augusta, Königin von Preußen und spätere Deutsche Kaiserin. Porträt nach einer Vorlage von Richard Lauchert, um 1870 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

    Auf Abruf: Gesandter in Paris

    Nachdem Bismarck nachdrücklich um „Anstellung oder Abschied“ gebeten hatte, erfolgte im Mai 1862 seine Versetzung an die preußische Gesandtschaft in Paris. Bismarck sprach fließend Französisch und hatte das Land bereits auf früheren Reisen kennengelernt. Auch am Hof Kaiser Napoleons III., der sich um gute Beziehungen zu Preußen bemühte, wurde der neue preußische Gesandte mit Wohlwollen empfangen. Da das gesellschaftliche Leben in der französischen Hauptstadt im Sommer 1862 weitgehend ruhte, nutzte Bismarck die Gelegenheit zu einem Besuch der Weltausstellung in London. Dort kam es auch zu Gesprächen mit dem Premierminister Henry John Temple, Viscount Palmerston, und dem Führer der Opposition, Benjamin Disraeli.

    Kaum nach Paris zurückgekehrt, nahm er Urlaub und reiste nach Südfrankreich. Im Badeort Biarritz traf er den russischen Gesandten in Belgien, Fürst Nikolai Orlow, und dessen junge Gemahlin Katharina Orlowa. Mit ihnen verbrachte Bismarck viel Zeit, und er verliebte sich dabei in die „niedliche Principesse“ (Fürstin), die ihn an seine erste große Liebe Marie von Thadden erinnerte. Er verlängerte eigenmächtig seinen Urlaub und genoss das Zusammensein mit seiner Angebeteten. Letztlich verlief die Romanze folgenlos, und nach einem kurzen Aufenthalt in den Pyrenäen kehrte Bismarck nach Paris zurück. Dort erhielt er Mitte September 1862 Telegramme des preußischen Außenministers Albrecht von Bernstorff und des preußischen Kriegsministers Albrecht von Roon, in denen er aufgefordert wurde, sich umgehend in Berlin zu melden.

    Orloff Fuerst und FuerstinFürst Nikolai Orlow und seine Frau Fürstin Katharina Orlowa, um 1860 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

     


    Video: Der weltgewandte Politiker

    Otto von Bismarck bereiste beruflich und privat viele Länder Europas und lebte als Diplomat in Paris und St. Petersburg, wie in dem Video „Der weltgewandte Politiker“ zu sehen ist. Einen Eindruck von seinen Fremdsprachenkenntnissen vermittelt noch heute eine Tonaufnahme, die einer Erfindung von Thomas Edison zu verdanken ist.

     

    Der weltgewandte Politiker

    Bismarcks Stimme