Rede im Ersten Vereinigten Landtag, Berlin
17. Mai 1847
Liberal gesinnte Abgeordnete meinten, das preußische Volk sei 1813 nicht nur im Kampf gegen Napoleon einig gewesen, sondern habe auch um innere Reformen gerungen. Bismarck widerspricht: Die „Bewegung des Volkes“ habe allein den Grund der „Mißhandlung und Erniedrigung“ durch „einen fremden Gewalthaber“ gehabt.
Es wird mir schwer, nach einer Rede, die von so edler Begeisterung diktiert war, das Wort zu ergreifen, um eine einfache Berichtigung vorzubringen. Ich muß mich nochmals dagegen verwahren, daß der geehrte Redner, der soeben die Tribüne verlassen hat [der Abgeordnete Saucken-Tarputschen], aus der vorgestrigen Abstimmung den Schluß zog, als habe sich die Majorität dadurch gegen die Gesetzgebung vom 3. Februar erklären wollen. Ich für mich, und ich glaube es auch für viele andere von uns tun zu können, muß wiederholt bekennen, daß wir lediglich gegen die Tendenz des Gesetzes gestimmt haben, weil wir glaubten, daß, wenn die Regierungsvorlage angenommen wurde, den Beratungen der Provinziallandtage eine Grundlage gegeben war, welche die Interessen der Beteiligten verletzt; es hat aber nicht in unserer Absicht gelegen, ein Gesetz, das wir sonst etwa für nützlich gehalten hätten, zu einer Handhabe zu machen, um an den Schranken zu rütteln, die durch die Gesetzgebung vom 3. Februar gezogen worden sind. Das ist uns nicht im entferntesten eingefallen. Auf die übrigen Teile der gedachten Rede einzugehen, halte ich erst an der Zeit, wenn von politischen Fragen die Rede sein wird. Für jetzt fühle ich mich nur noch gedrungen, dem zu widersprechen, was auf der Tribüne sowohl als außerhalb dieses Saales so oft laut geworden ist, als von Ansprüchen auf Verfassung die Rede war: als ob die Bewegung des Volkes von 1813 anderen Gründen zugeschrieben werden müßte und es eines anderen Motivs bedurft hätte, als der Schmach, daß Fremde in unserem Lande geboten. (Murren)
Es heißt meines Erachtens der Nationalehre einen schlechten Dienst erweisen (Wiederholtes Murren), wenn man annimmt, daß die Mißhandlung und Erniedrigung, die die Preußen durch einen fremden Gewalthaber erlitten, nicht hinreichend gewesen seien, ihr Blut in Wallung zu bringen und durch den Haß gegen die Fremdlinge alle andern Gefühle übertäubt werden zu lassen.
(Großer Lärm. Mehrere Abgeordnete bitten ums Wort. Darauf erwidert Bismarck:)
Ich kann allerdings nicht in Abrede stellen, daß ich zu jener Zeit nicht gelebt habe, und es tat mir stets aufrichtig leid, daß es mir nicht vergönnt gewesen, an dieser Bewegung teilzunehmen; ein Bedauern, das vermindert wird durch die Aufklärung, die ich soeben über die damalige Bewegung empfangen habe. Ich habe immer geglaubt, daß die Knechtschaft, gegen die damals gekämpft wurde, im Auslande gelegen habe; soeben bin ich aber belehrt, daß sie im Inlande gelegen hat, und ich bin nicht sehr dankbar für diese Aufklärung.
(Murren und Bravo.)